Durch diesem Blog möchte ich meine Eindrücke und Erlebnisse auf meiner Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela festhalten und meine Abenteuer mit allen Interessierten teilen.
Ich werde versuchen, so oft als möglich - etwa alle 3 Tage - Einträge zu verfassen.
Vorbeischauen lohnt sich!

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Dienstag, 31. Juli 2012

Santiago de Compostela


Die letzte Etappe von 60km war, beflügelt vom Wunsch endlich anzukommen, ein Klacks. Ab dem Zeitpunkt, an dem mein Weg den Camino Frances kreuzte, wurde es merklich voller, doch ließ ich alle weiteren Fahrradpilger die ich traf hinter mir und ritt um 12:09 in Santiago ein. Nach 46 Tagen im Sattel, 49 Tage und 3684km nach meinem Aufbruch in Berlin bin ich nun endlich angekommen.
Ich folgte dem Strom von Pilgern erst einmal ins Stadtzentrum und landete auf dem Kathedralenvorplatz. Dort sprach mich eine ältere Dame an und nach kurzen Preisverhandlungen hatte ich meine Unterkunft für die nächsten drei Nächte gesichert.
Santiago ist alles andere als ein Ort der Einkehr, soviel war mir klar. Was mich jedoch wirklich ärgert, ist die Art und Weise, wie man die Tradition des Pilgerns hier kommerzialisiert. Überall gibt es Pilgermenüs, Pilgerkuchen und/oder Pilger Merchandise aus Plastik. Himmel und Menschen sind unterwegs und nehmen dieser wirklich schönen Stadt viel von ihrem Zauber – beispielgebend war zum Beispiel eine Party, die zum Klang von fürchterlich schlechter, elektronischer Musik gestern Abend im Schatten der Kathedrale statt fand. Die Stadt ist voller Pilger, jetzt wo man als Pilger jedoch nichts besonderes mehr ist, versinkt man wieder in der Anonymität der Großstadt.
Nachdem ich mir meine Pilgerurkunde (Compostela) abgeholt hatte, ging ich in die Kathedrale, wo man sich anstellen konnte um traditioneller Weise eine Statue des heiligen Jakobus zu umarmen, um danach einen Priester eine Zeremonie an seinem Grab vollziehen zu sehen. Auch dieser katholische Hokus-Pokus verlor in meinen Augen an vielleicht vorhandener Würde durch die Heerscharen von Japanern, die die Kathedrale mit Kameras bewaffnet als Taubenschlag missverstanden.
Zum Glück ist der Weg das Ziel und so habe ich auf meiner Reise mehr Gastfreundschaft und Spiritualität erlebt und Menschen kennen gelernt, als ich es in Santiago könnte. Meine Pilgerfahrt wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben.
Es war eine Reise, die jede Anstrengung wert war und für die ich sehr dankbar bin!
Morgen geht nun mein Flieger über Palma de Mallorca nach Berlin, bis dahin genieße ich noch ein wenig die Sonne auf einer ruhigen Bank im Parque Alameda mit Blick über die Altstadt. 

Santander - Santiago de Compostela


Vom Party-Camping Platz in Santander ging es auf einer recht unspektakulären Tour in Richtung Comillas. An diesem Tag bekam ich die Küste nur höchst selten zu Gesicht. Auch brach auf einem Feldweg eine jener Schrauben, die meinen Gepäckträger mit dem Rahmen verbinden. Glücklicherweise existierte eine zweite Bohrung, die ich an Stelle der ersten verwenden konnte, andernfalls hätte das durchaus das Ende meine Tour bedeuten können – trotz meines vielen Gepäckes habe ich nämlich keine Bohrmaschine am Mann. 
Die Herberge in Comillas fasste 20 Leute und befand sich in den Mauern eines ehemaligen Gefängnisses. Von dort hatte man einen atemberaubenden Blick auf die See und einen alten Friedhof. Hier traf ich auf Sophia aus Neuseeland, Sinead aus Irland, Miku aus Finland, Thomaso aus Italien und einen Spanier, dessen Namen mir leider entfallen ist. Mit dieser bunt gemischten Truppe, die in mehr oder weniger dieser Konstellation seit Irún unterwegs ist, verlebte ich nach gemeinsamem Bad im Atlantik einen lustigen Abend in einem ortstypischen Fischrestaurant in der Altstadt von Comillas. Mit Krabbenbein und allem.
 
 Nach einer Pilgerumarmung von Miku und Sinead ging es am nächsten Morgen weiter. Das Ziel diesen Tages was Ribadesella, ein Ort ohne nennenswerte Altstadt und ohne Pilgerherberge, dafür jedoch mit Strand und einem schattigen Zeltplatz.
 Die Nacht verbrachte ich in meiner Hängematte und wurde am nächsten Tag von der frischen Seebrise zu einem frühen Start angetrieben.
Nicht früh genug, wie sich bald herausstellen sollte. Es war viel zu warm und zu sonnig, so fing ich mir trotz Helm einen Sonnenstich ein. Mit Brummschädel, Tunnelblick und Magenschmerzen kam ich in Gijón an. Auch hier übernachtete ich auf einem Zeltplatz und nach der Einnahme von wahren Fluten von Wasser ging es mir wieder besser. Der Campingplatz in Gijón liegt auf einer Klippe an der Steilküste und biete einen wunderbaren Blick über Stadt und Bucht, Santander nicht unähnlich. Hier traf ich des Abends drei weitere Fahrradpilger, Belgier. Wir unterhielten uns gut und gerne wäre ich mit jenen dreien, die auch mein Tempo zu fahren schienen weitergefahren – doch sie hatten sich bereits entschlossen in Gijón einen Tag zu pausieren.
Wieder allein fuhr ich also am nächsten Tag nach Luarca. Das zumindest war mein Ziel. Doch der Sonnenstich hatte mich etwas entkräftet zurück gelassen und so entschied ich mich nach einer frustrierend langwierigen Etappe bereits in Santa Marina halt zu machen, wo es eine Hospidaje und Pilgerzimmer für wenig Geld gab. Wie schon erwähnt ist seit ich auf dem Camino del Norte bin nahezu jede Herberge ausgebucht und jeder als solcher designierte Pilgerort auch tatsächlich von mindestens einem Pilger bewohnt, so dass ich zum Abendessen meist Gesellschaft habe. In diesem Fall namentlich ein Bayrisches, ein Amrikanisches und ein Irisches Pärchen, allesamt zu Fuß.
Tags darauf kam ich dann tatsächlich durch das ehemalige Walfangdorf Luarca. Ich hielt jedoch nicht an, sondern fuhr weiter bis nach Ribadeo, wo man die Grenze zwischen Asturias und Galicia überquert. Die örtliche Herberge war leider jedoch ausgebucht und so zog ich mich abermals auf den Campingplatz zurück. Gut so; denn sonst hätte ich den schönsten Strand meiner Tour verpasst.
Der N-634 (Carretera Irún-Santiago) folgend verließ ich nun die Küste und wandte mich Inlands. 
Abadín liegt im galizischen Hochland, doch ich war gefasst darauf, dass die letzten paar Etappen meiner Tour abermals Bergziegenetappen sein sollten. Die N-634 ist jedoch einfach zu befahren und zieht sich solang man ihr folgen kann wie eine Schnur hügelauf und -ab. Rät einem die Karte sie zu verlassen, wird es schnell zu bergig zum Fahren und mehr als nur einmal musste ich an diesem Tag schieben. In Abadín geschah zum ersten Mal wovor ich bereits des öfteren gewarnt worden war: Ich wurde in der Herberge abgewiesen, mit der Begründung man müsse erst einmal die Fußgänger einlassen. In diesem speziellen Fall erschloss sich mir diese Vorgehensweise jedoch nicht – die alternative Unterkunft, die mir der unfreundliche Herbergsvater wieß, lag auf der anderen Straßenseite in einer Pension, war ergo sowohl für Fahrradpilger als auch für Fußgänger gleich gut zu erreichen. Ein weiterer Fakt der mir sauer aufstieß war, dass ich nun auch zunehmend über Ein-Tags-Pilger stolperte, ein Begriff den ich in Ermangelung eines besseren benutze. Als Fußgänger muss man lediglich die letzten 100km bewältigt haben, als Fahrradpilger lächerliche 200km – eine Tatsache, die sich viele Spanier zu Nutze machen und diese 200km an zwei Tagen herunter reißen, auf dass sie „Pilgerreise nach Santiago“ in ihren Lebenslauf schreiben können
 Solche erkennt man an leichtem Gepäck sowie Saufgelagen am Abend.
In Sobrado dos Monxes, meinem nächsten Ziel, traf ich auch einige davon. „Echte“ Pilger überwogen jedoch. In einem alten Zisterzienserkloster finden knapp 100 Pilger Unterschlupf. Ein wirklich beeindruckender Ort. Die Zimmer lagen in kleinen Zellen, die direkt vom Kreuzgang abgingen. In einem gesonderten Teil der Anlage leben auch heute noch einige Brüder. Vielleicht eine der schönsten Herbergen die ich erlebte.
Am nächsten Tag kam ich dann endlich nach Santiago. 

Samstag, 21. Juli 2012

Orthez - Santander


Die Fahrt am Fluss ging genau wie geplant, einfach und zügig. Wohl meine bisher schnellste Etappe. Die baskische Mittagshitze verschlief ich in meiner Hängematte. Ziel dieses Tages war Bayonne, eine nette Stadt, doch nach der Abgeschiedenheit der letzten Tage etwas zu trubelig für meinen Geschmack. So war es dann nur gut, dass die nächste Herberge etwas außerhalb lag. Ich kam bei Veronique und ihrer Tochter Lucy unter, die Pilger für kleines Geld unterbringen und verköstigen. Dort verlebte ich ein paar schöne Stunden bevor es bei Zeiten in die Heia ging, das nächste Ziel sollte San Sebastian heißen.
Donostia, so der baskische Name der Hauptstadt des Baskenlandes, hat schöne und hässliche Seiten.

Landschaftlich ist das Baskenland mit seinen schroffen Bergen und blauen Lagunen sicher eine der schönsten Regionen, durch die ich bisher das Glück hatte zu fahren - der Stadtstrand von San Sebastian wird jedoch von Neubauten dominiert. Die dortige Pilgerunterkunft liegt in einer Turnhalle und ist nur zwei Monate im Jahr geöffnet, während der spanischen Ferien. Sie fasst 50 Mann und war bis auf den letzten Platz belegt. Man stelle sich die nächtliche Geräuschkulisse einmal vor! Ohropax brachte den Ohren Frieden und mir Schlaf. Dort traf ich auch auf Gillem (ESP), Michael (AUS) und Caro (DEU), mit denen ich mich des Abends an den Strand setzen und plaudern konnte. Morgens um sechs ging das Licht an und nach einem gemeinsamen Frühstück hieß es Lebewohl und frisch auf zum frühsten Start bisher.

Vielleicht war genau das der Grund, aus dem ich den Mund etwas voll nahm und behauptete am Abend in Bilbao zu sein. Ich hatte schließlich den ganzen Tag noch vor mir. Schlussendlich war ich das auch. Marta hatte bei ihrer Freundin Patricia dort eine Unterkunft für mich klar gemacht. Jedoch war der Ritt dahin eine Qual - mit 132km durch die Ausläufer der Pyrenäen setzte er sich flugs auch an die Spitze des Distanzrankings. Angekommen wechselte ich noch wenige Worte mit meiner Gastgeberin, aß zu Abend und fiel ins Bett. So bekam ich leider nicht viel Schönes von der Stadt mit, nur die Schwerindustrie fiel ins Auge; obwohl der Blick auf zB. das Guggenheim Museum durchaus vielversprechend war.

Der nächste Trip führte mich nach Islares, einem kleinen Küstenort im benachbarten "Bundesland" Cantabria. Fahrtechnisch ist diese Strecke auch für Gelegenheitspilger nur zu empfehlen, führt sie doch zu in etwa 90% über offizielle Fahrradwege. Auch in Islares war die Herberge wieder komplett belegt und strafte die Abgeschiedenheit des Camino del Nortes, die in vielen Führern beschrieben wird, Lügen. Der angenehmen Nachtruhe tat das, ob der lediglich 9 Schlafplätze pro Zimmer (2), jedoch keinen Abbruch. Vor dem Schlafengehen ging es noch mit 6 Spaniern und einem Polen abermals an den Strand, wo rumgeflachst und über Sprachen gefachsimpelt wurde. Erwähnenswert ist vielleicht noch die zunehmende Anzahl an Fahrradpilgern, 7 außer mir waren es allein in der letzten Herberge.
Heute ging es dann in die Hauptstadt Cantabrias, nach Santander. Der Weg war ein einfacher und lag wiedermal mit 66 km voll im Limit. Die Ausläufer der Pyrenäen machen nun anderen Gebirgszügen Platz, die Küste bleibt jedoch bergig und zerklüftet.
Mit dem Pilgerboot fuhr ich über die Bucht in die Stadt ein, organisierte mir einen letzten Stempel für meinen ersten und nun vollen Pilgerpass und tourte dann weiter mit dem Ziel Campingplatz. Der Grund war der bereits um 15 Uhr alarmierende Füllstand der Herberge. Nachdem ich mein Zelt aufgeschlagen hatte, verließ ich das Gelände wieder, um in meiner Hängematte den Blick über die besagte Bucht zu genießen und den Tag ausklingen zu lassen.
Noch 8 Tage bis Santiago!

Montag, 16. Juli 2012

Chateau Salvenet – Orthez


Wie von Cédric Henriot angekündigt, ging es auch von Salvenet an (durch das Limousin) bergig weiter - ja, in der Dordogne wurde es noch wilder. Man konnte sogar den einen oder anderen Felsen entdecken.
Der nächste Halt war Thiviers. Von der Stadt selbst habe ich nicht viel gesehen, von einer Durchfahrt einmal ganz abgesehen. Mein Quartier war das Pilgerchalet auf dem örtlichen Campingplatz im Tal unterhalb der eigentlichen Stadt. Selbstredend ist das kein Hinderungsgrund, nicht noch einmal die Hufe zu schwingen und zum Stadtbummel bergauf zu strampeln, jedoch zeigte mein Reifen enorme Gebrauchsspuren und so entschied ich mich, nach einem Einkauf und Abendbrot, ans Tüfteln zu machen. Es half alles nichts, am nächsten Morgen war der Schlauch abermals platt und so kam der zweite Ersatzschlauch zum Einsatz. Die Fahrt nach Mussidan war dann ein recht anstrengender Ritt, es fuhr sich wie auf Eiern, wissend, dass der Mantel einem Sieb glich. Auf Grund des eher lockeren Umgangs der Franzosen mit den Öffnungszeiten ihrer Touristeninformationen und dem unvermeidlichen abendlichen Platten, war ich dann gezwungen mich für teuer Geld in ein Hotel ein zu mieten. Trotz der fachkundigen Flickkünste eines alten Franzosen überdauerte auch dieser Schlauch die Nacht nicht, so dass ich mich am nächsten Morgen nach erneuter Flickung dazu gezwungen sah, den vorderen mit dem hinteren Mantel zu vertauschen, in der Hoffnung, dass die geringere Last vorn dem geschundenen Stück Gummi gut tun würde. Ich wurde nicht enttäuscht und kam sicher bis La Reole. Der 14.7. ist französischer Nationalfeiertag, man begeht den Jahrestag des Sturms auf die Bastille. Mit Widrigkeiten bezüglich der Quartiersuche war daher zu rechnen – nicht gerechnet hatte ich mit meinem Glück. Recht spät kam ich in La Reole an, jedoch fügte es sich, das genau als ich ankam eine Mitabreiterin der Kirche die selbige abschloss und mich an Odette verwies, eine ältere Dame, die seit bereits 22 Jahren Pilger aufnimmt und lecker bekocht. Von dort brach ich am Morgen dann mit dem Ziel Roquefort auf. Über Stein, Stock und Hügel ging der Weg bis ich die Stadt mit dem leckeren Käse erreichte. Die örtliche Herberge wird von Freiwilligen geführt und war eine der schickesten, die ich bislang bewohnen durfte. Für Gesellschaft sorgten zudem zwei pilgernde Franzosen sowie ein estländischer Wahlaustralier, der froh schien einmal wieder jemanden zu treffen, der der englischen Sprache mächtig war. 
Wenn ich sage die Roqueforter Herberge war schön, so wird das von der Herberge in Orthez, meinem heutigen Standort, gleich wieder übertrumpft. Ich wohne mit zwei – zur abwechslung einmal jungen – Französinnen im Hôtel de la Lune, einer der örtlichen Sehenwürdigkeiten. Die Stadt an sich hat auch einiges zu bieten, zumindest ihr mittelalterlicher Stadtkern. Von der Burg aus kann man die Gipfel der Pyrenäen am Horizont erkennen und vom Fluss „Gave de Pau“ das ehemalige Stadttor bewundern.
Morgen geht es, an eben jenem Fluss entlang, hinunter zur Küste nach Bayonne und von dort ist Spanien nur noch einen Tagesritt entfernt. 

Mittwoch, 11. Juli 2012

Vézelay - Chateau Salvenet bei Limoges


An meinem zweiten Abend in Vézelay schlief ich wohl zum ersten Mal in einem vollen Schlafsaal; neben mir bevölkerten nun drei Holländer (zwei davon mit dem Fahrrad, ob des leichteren Gepäcks und der Rennräder jedoch keine Mitfahrer für mich) und ein Deutscher das Herren Refugium. Obwohl auch diese alle recht freundlich waren, wurde ich mit ihnen nicht gar so warm wie z.B. mit den Tags zuvor abgereisten Fleur (NL) und Arnulf (D). Tags darauf begann ich meinen Tag mit einer Andacht in der Basilika von Vézelay. Die Brüder und Schwestern aus dem örtlichen Ordenshaus gaben mit ihren Gesängen dem Ort etwas von seinen gregorianischen Wurzeln zurück. Nachdem wir Pilger den Segen empfangen hatten und von Angelique, der Herbergsmutter, mit dem Ultreia Gesang verabschieded worden waren, befand ich mich nun endlich auf der Via Lemonvicensis, dem vorletzten Abschnitt meiner Pilgerroute.
Der nächste Abschnitt meiner Tour brachte mich nach La Charité-sur-Loire, wo ich eine Herberge der "Amis de St. Jaque de Compostelle" (Freunde des heiligen Jakob zu Compostela) vorfand. Diese gemeinschaft hat sich auf die Fahnen geschrieben, das Herbergsnetz auf dem franz. Teil des Jakobsweges dem des spanischen gleich zu machen. La Charité ist eine schöne Stadt und da das Wetter mehr oder weniger mitspielte, setzte ich mich in den Abendstunden mitsamt Eis an die Loire und ließ die Beine baumeln.
In Charost, meinem nächsten Etappenziel, traf ich in der Herberge - abermals von den Freunden gesponsert - auf zwei Pilgerinnen von der Lahn, die seit Ostern auf dem Weg sind. Diese Herberge war extrem gut ausgerüstet, man fand im Kühlschrank einige Fressalien, die man sich zu spottpreisen einverleiben durfte. Da meine nächste Etappe sehr kurz sein sollte, ließ ich es tags darauf ruhig angehen. Gleichwohl überholte ich die oben genannten Damen bereits nach nur zehn Minuten - das Fahrrad ist halt ungefähr viermal so schnell wie der Fußgänger, ein Umstand den ich zu schätzen weiß.

 Kurz verweilte ich an einem wundervoll eingefärbten Mohnfeld und begab mich dann auf den Weg nach Neuvy-Saint-Sepulchre. Ein gewöhnliches Ländliches Dorf, das jedoch über einen Zeltplatz verfügt, in dem Pilger eines der Chalets (kleine Holzhäuser) beziehen dürfen. In der angrenzenden Reggaebar fand ich im Wirt nicht nur die einzige englisch sprechende Person am Ort, sondern auch einen angenehmen Gesprächspartner. Es gibt hier ein sehr leckeres Kirschbier, namens Grimbergen.
Der nächste Ritt, obschon normal lang, war einer der weniger schönen meiner bisherigen Fahrt. Es fing schon damit an, dass ich aus verschiedenen Gründen erst an einem Feldkreuz nach schätzungsweise 10km Frühstück essen konnte. Außerdem ließen Kopfschmerzen und Gegenwind die Fahrt zu einer Tortur werden. In La Souterraine, dem Etappenziel fand ich, obschon der Herr in der Touri-Info mit Eifer bei der Sache war, zunächst kein Quartier, bis man mich an Marjolein und Christophe vermittelte. Die beiden sind Farmer acht Kilometer außerhalb La Souterrains und betreiben eine kleine Pension nebenbei. Eine sehr gute Wahl, für jeden ausgehungerten Pilger: Das Menü welches ich zum Abend gereicht bekam wäre eines Sternekoches würdig gewesen. Heute Morgen dann brach ich auf zur wohl kürzesten Etappe meiner Reise. Gaetan, ein Freund von mir aus Berliner Taizé-Tagen, hatte für mich bei seiner Bekanntschaft, der altehrwürdigen Familie Henriot, nahe Limoges ein Quartier organisiert. Nach einer Bergziegenetappe von rund 800 Höhenmetern, so ist das hier im Limousin, erreichte ich Chateau Salvenet und war überwältigt. Ein Herrenhaus erster Güte und ein herzlicher Empfang waren mir gewiss. Heute schwelge ich im Luxus, Bad im Pool, leckeres Essen und ein Haus vom Umfang der Potsdamer Schlösser als Nachtquartier.

Die Wände hier sind gespickt mit Portaits der Familienmitglieder, die sich teilweise gar bis ins Jahr 1000 zurück verfolgen lässt. Im Treppenhaus hängen Tappisserien die im 17. Jahrhundert handgewoben wurden. Unglaublich. Es ist schön zu erleben, wo man überall Aufnahme finden kann.

Freitag, 6. Juli 2012

Trier - Vézelay

 

Lang lang ist's her, doch Internetmangel und Müdigkeit hielten mich vom Bloggen ab. Fakt ist: Ich lebe und bin noch unterwegs.

Von Trier aus fuhr ich, noch immer dem Moselradweg folgend, bis nach Perl, wo ich bei einer etwas wunderlichen älteren Dame Unterschlupf in einer Ferienwohnung fand. Am nächsten Tag befand ich mich gerade auf den ersten paar Metern meines Weges nach Metz, als ich verwundert feststellen musste, das alle Straßenschilder/Autokennzeichen bereits französisch waren. Ich hatte wohl unbemerkt die Grenze überquert, ein Schild gab es nicht. Irgendwo dort kam es zudem noch zu einem unfreiwilligen Fotoshooting: Ein älterer Herr trieb Vorbeifahrende für das Coverfoto seines neuesten Buches über eine Deutsch-Luxemburgische Eisenbahntrasse zusammen.
Metz, mein Tagesziel, ist wunderschön. Hier schlief ich in einer Jugendherberge und trieb mich bis noch spät abends in der Kathedrale bzw. den Fußgängerzonen der Altstadt herum. Besagte Kathedrale ist extrem hoch und wird ob ihrer gigantischen Fensterflächen im Volksmund "Laterne Gottes" genannt.
Unter anderem Marc Chagall zeichnet für die Gestaltung jener Fenster verantwortlich.



Des nächsten Tages fuhr ich nach Toul, wo man mich in der Touristeninformation einem Pärchen vermitteln konnte, das privat Pilgern Herberge bietet. Für sehr faire 18€ gab es hier Abendessen, Frühstück, Bett, Internet und EM-Finale sowie gute Gespräche. Die Dame des Hauses hat nämlich deutsche Wurzeln. Auch Toul besitzt eine schicke Kathedrale und eine hübsche Altstadt, jedoch ist der Aufschwung dort noch nicht gar so weit.
 
Nebenbei sind beide erwähnten Städte stark geschichtsträchtig, spielten sie doch im tragischen Schicksal der Jean d'Arc, der Jungfrau von Orléan, eine wichtige Rolle.


Von Toul fuhr ich nun nach Joinville. Bisher war ich weitestgehend dem Jakobsweg/ Jean d'Arc Pfad gefolgt, auf dieser Etappe musste ich mich jedoch an die Landstraßen halten, da die aufgeweichten Feldwege einmal mehr meinen bepackten Drahtesel nicht zu tragen bereit waren. Jene Landstraßen, alle mit einem D und zwei Ziffern gekennzeichnet, sind wenig befahren und ein guter Ersatz für Radwege. Es kommen ungefähr soviele Autos pro Stunde wie auf der Bölschestraße nachts um vier - für all jene denen dieser Vergleich hilft. Aufgrund eines platten Reifens kam ich zu spät in Joinville an, ein Fakt der mich zwang selber auf Unterkunftssuche zu gehen, was darin resultierte, dass ich in einem Gite für knapp 60€/Nacht unterkommen musste. In der Nähe meines nächsten Tageszieles hatte ich mehr Glück: Mein in Trier erstandener Pilgerführer wies mir den Weg ins Haus der Eheleute Loisy, die mich unglaublich freundlich aufnahmen und verköstigten. Auch unterhielten wir uns sehr nett, bei einer Flasche Champagner, die man aus Freude über meine Ankunft geköpft hatte. Dies ist besonders beeindruckend bedenkt man, das ich kein Französisch und die beiden weder Deutsch noch Englisch sprechen.


Mit Tonnere kam ich am nächsten Tag in eine Stadt, die eine lange Pilgertradition inne hat. Hier stand einmal das größte Pilgerhospiz Frankreichs, heute ein Museum. Auch heute ist man Pilgern gegenüber aufgeschlossen und so bezog ich Herberge im Clubhaus einer Französischen Scout Truppe.


Gestern, Donnerstag 5. Juli, erreichte ich Vézelay, eine Ortschaft in der Mitte Frankreichs, der ob ihrer Lage am Anfang der Via Lemonvicensis eine wichtige strategische Rolle auf meiner Fahr zufällt. Hier habe ich nun ungefähr die Hälfte meiner Tour erreicht.

Gestern Abend traf ich in der Pilgerherberge auch gleich auf eine große Anzahl von Mitpilgern, die jedoch allesamt per Pedes unterwegs sind. Ich erfuhr viel über verschiedene Beweggründe den Weg zu gehen und werde wohl den einen oder anderen nach meinem heutigen Erholungstag Morgen wieder überholen.

Donnerstag, 28. Juni 2012

Marburg - Trier


Von Marburg aus ging es für mich Samstagmittag in Richtung Gießen weiter. Leider fand auf Grund interner Missverständnisse das Treffen mit und übernachten bei Lea, einer ehemaligen Freiwilligen aus Nordirland, nicht statt.
Alternativ dazu fuhr ich noch ein Stück weiter die Lahn hinab, bis ich in Burgsolms von einer zuvorkommenden Küsterin die Erlaubnis bekam im Pfarrgarten zu campen. Dies war ein sehr schönes Fleckchen Erde, nur der etwas übermotivierte Glöckner störte den Nachtschlaf.
Nach einem Frühstück - bestehend aus Gaskochertoast und Berliner Bohne - und der Vertreibung von Nacktschnecken aus meinen Fahrradtaschen, brach ich wiederum auf. Ziel: Lahnstein an der Lahn - so dachte ich.
Dies sollte meine bislang längste Etappe werde. Vorbei an Limburg und seinem schönen Dom folgte ich dem Radweg und der Lahn. Es handelt sich hierbei wirklich um eine malerische Strecke, die vielen Klosterburgen am Wegesrand verleihen eine zusätzliche Würze. Kurz vor einem Steilstück bei Holzappel, traf ich auf einen anderen Radfahrer, der in meine Richtung fuhr. Jener berichtete mir von einem alternativen Pfad, der der Lahn näher und weniger steil sein solle. Zusammen probierten wir diesen etwas abenteuerlichen, schlammigen Pfad aus und unterhielten uns nebenbei angeregt. Im nächsten Ort trennten sich dann die Wege wieder; mein Begleiter ging, der Regen kam. Und was für ein Regen. Ware Sturzbäche begleiteten mich auf dem immer unwegsameren Weg bis nach Lahnstein. Ich unterstelle das jener Regen auch Schuld daran trägt, dass in Lahnstein nur finsteres Gelichter mit schlechter Ortskenntnis die Straßen bevölkerte.
Zur Findung einer Jugendherberge ward ein Anruf daheim und die
Konsultierung des Internets nötig. Dann ging es weiter nach Koblenz, wo ich kurz nach acht Uhr völlig durchnässt auf dem Festungsberg aufschlug. Die Jugendherberge dort bietet einen wundervollen Ausblick über Rhein und Mosel und das Deutsche Eck, der fast für erlittene Strapazen auf den vergangenen 130km entschädigte.



Fast. Trocknen wollten meine Klamotten aufgrund der dicken alten Mauern und dem feuchten Klima nämlich nicht.
Weiter ging es am nächsten Tag, 
ohne wirklich ein Ziel vor den Augen zu haben. 'Fahren bis ich keine Lust mehr habe', hieß das Motto. Entlang der Mosel und vorbei an diversen Burgen und Weinbergen fuhr ich bis Bullay nahe Zell. Dort entdeckte ich bei einer Rundfahrt durch den Ort eine verräterische Muschel an einer Hauswand, die wohl Pilgerfreundlichkeit signalisieren sollte. Und richtig; solche fand ich dort. Wolfshund Leika und der Eigner ließen sich überzeugen, erstere mich nicht zu fressen, letzterer den Preis zu drücken. Im alten Fachwerkhaus gab es dann am Abend noch eine gesellige Witze-Stunde und einen noch geselligeren Umtrunk (Dank dem Spender) mit den Besitzern und anderen Gästen. Jener führte dazu, dass ich am nächsten Morgen, nach gemeinsamem Frühstück, verkatert in Richtung Minheim aufbrach.
Nach einer kurzen Etappe und noch kürzerem Gespräch mit dem großzügigen Platzwart, ward mir gestattet dort für Lau auf einem Wohnmobilstellplatz zu campieren.
Vor zwei Tagen dann, erreichte ich die Römerstadt Trier.



 Hier kam ich bei einer ehemaligen Kollegin meines Vaters und ihrer Familie unter. Julia, Utz sowie die Kinder Johanna und Lotte begrüßten mich herzlich und legten den Grundstein für einen erholsamen Tag in dieser schönen Stadt.



Unter anderem besichtigte ich die Matthias-Kirche, welche das einzige Apostelgrab nördlich der Alpen beinhaltet. Von Apostelgrab zu Apostelgrab soll es nun morgen in Richtung Vezelay in Frankreich weitergehen. Nächste Etappenziele sind Perl und Metz.